Obertöne

Obertöne – Klänge des Lichts, der Klarheit und Tiefe. Musik, die zu einem Spiegel unserer eigenen Seele werden kann. Kommunion mit Klang und Schwingung, Kontemplation, Zeitlosigkeit .

 
In einer Zeit, in der es als Fortschritt gilt, immer mehr und komplexere Informationen auf immer kleiner werdendem Raum und immer schneller von A nach B zu transportieren, muten die Obertonklänge in ihrer Langsamkeit wie Zeugen aus längst vergangenen Zeiten an. Hier gibt es zu nichts zu verstehen, sondern nur  Hören  in den Klang  und Achtsamkeit für sein allmähliches sich Verändern in Klangfarbe und Obertönen.

 
Was sind Obertöne? Wir können sie in Analogie zum Licht mit seinen Spektralfarben auch als Spektraltöne eines Klanges betrachten.  So wie das Licht eine Komposition seiner Spektralfarben darstellt, so ist auch jeder Ton eine Komposition seiner Spektral– oder Obertöne. Beim Regenbogen sind es die Regentropfen, die als Prisma wirken und uns die Spektralfarben zeigen, die Bausteine des Lichtes. Auf den Klang bezogen können wir sagen,  dass in ihm selbst  unzählige Teiltöne oder Obertöne wirken, die seine Klangfarbe bestimmen. Wenn wir Obertöne singen, formen wir den  Mundraum  in der Weise, dass sich einzelne Obertöne herauskristallisieren und als zweite Stimme über dem Grundton erscheinen. Das langsame Verschmelzen einzelner Vokale miteinander bringt die Obertöne ans Licht. Wie helle Flötentöne erscheinen sie im Raum und lösen sich geradezu schwerelos von dem gesungenen Grundton ab, energiegeladen, archaisch und lichtvoll zugleich.Manche Menschen erleben die Obertöne auch als Duft, der sich über den Tönen entfaltet oder sprechen von einer Aura, in die der Klang eingehüllt sei. 

Obertöne sind der Stoff, der die Klangwelt im Innersten zusammenhält, sie stellen die Essenz von Klang dar. Ohne sie keine Klangfarbe, keine Sprache, keine Musik. Modern ausgedrückt können wir die Obertöne auch als die Software von Klang betrachten, eine Art genetischer Klangcode, der auch in jedem von uns wirkt. So sprechen wir, ohne dass es uns bewusst wäre, permanent in Akkordfolgen. Unser erster Schrei und das letzte Wort, das wir sagen werden, sind in ihrem Inneren eine einzigartige Klangsymphonie und binden uns ein in den großen Klang des Lebens. Menschen, die sich intensiver mit Obertönen beschäftigen, bezeichnen diese auch als „Kosmische Stimmgabel“, „Universales Mantra“, „Liebeslied der Schöpfung“ oder „Klingende Jakobsleiter“.

 Beim Hören und Singen von Obertönen kommen wir mit der universalen Schwingungskraft, der Ordnung von Klang und Schwingung überhaupt in essenzieller Weise in Kontakt und finden zu einer inneren horchsamen Haltung, in der Fülle nicht mehr eine quantitative Dimension beschreibt, sondern eine Einstellung der Wahrnehmung und des Bewußtseins ausdrückt. Im Tönen und Lauschen heben wir unser Bewußtsein auf eine sehr feine Schwingungsebene, können die Transparenz unserer körperlichen Grenzen und uns als schwingendes Wesen erfahren  und uns so der heilsamen Energie der Obertöne öffnen. Übrigens: im Englischen wird "Gesund Sein"  auch als "to be sound" bezeichnet.

 
 

 

"Du meine Seele, singe"
Eintauchen in die Welt der Obertöne
Artikel für den Loccumer Arbeitskreis für Meditation e.V. im "FORUM" Heft Nr. 1 der Akademie Loccum

UNO-Vollversammlung in New York. Vor der Eröffnung der Sitzung trete ich ans Pult und beginne mit meinem Obertongesang. Die Damen und Herren legen ihre Kopfhörer beiseite, die Dolmetscher lehnen sich zurück. Nichts gilt es zu verstehen. Obertöne sind Klänge des Ursprungs, Naturerscheinung wie ein Regenbogen, Wolkenbilder am Himmel, Abendrot, Alpenglühen, ein Echo in den Bergen, klingende Sternschnuppen. Klänge im Klang, jenseits des kulturellen Spiegels, den die Vertreter der Nationen repräsentieren. Lauschen also, hinhören, sich berühren lassen, spüren, dass ich schwinge.

Und wenn ich meinen Traum noch ein wenig kühner werden lasse, dann stimmen allmählich alle Versammelten in diesen Gesang mit ein, formen Vokale und tönen, verbinden ihre Stimmen mit denen der anderen. Sie würden sich nicht verstehen, sprächen sie in der Sprache ihres Landes. Doch jetzt, wo es nichts zu verstehen gibt, verstehen wir uns. Diese Klänge verstehen sich und uns sozusagen von selbst und beenden für diesen Moment die babylonische Sprachverwirrung.

Tatsächlich lade ich die Hörerinnen und Hörer am Ende meiner Konzerte oft ein, das Kirchenschiff mit einem gemeinsamen Gesang zu erhellen und sich in dieser Art Klangkommunion mit dem Raum, sich selbst und dem Anderen zu verbinden.

In einer Zeit, in der es als Fortschritt gilt, immer mehr und komplexere Informationen auf immer kleiner werdendem Raum immer schneller von A nach B zu transportieren, muten die Obertonklänge in ihrer Langsamkeit wie Fossile aus einer längst vergangenen Zeit an.

"Kosmische Stimmgabel", "Universales Mantra", "Liebeslied der Schöpfung" - modern ausgedrückt können wir die Obertöne auch als Software von Klang ansehen, eine Programmierung, die auch in uns selbst wirkt, eine Art genetischer Klangcode, der uns in unserem Herzschlag und in jedem Wort, welches wir sprechen, begleitet. Was der Regenbogen für das Licht, stellen die Obertöne für den Klang dar. Eine klingende Jakobsleiter, auf der wir allmählich von der Erde zum Himmel, vom Materiellen ins Geistige aufsteigen und beide Ebenen miteinander verbinden.

Obertonmusik ist eine Musik der Entschleunigung, der Dekompression, des Verweilens in einem Klang, des langsamen Voranschreitens. Ich verfolge damit kein Dogma, werbe nicht dafür, so wie eine Welle nicht wirbt oder der Wind, der uns umhüllt. Er ist einfach da - die Verwirklichung seiner eigenen Existenz. Deswegen wirkt Natur so heilsam, so erholsam auf uns. Diese Art der Musik bereitet mir Freude - Zeit zum Genuss jeden Klanges, jeder Nuance, jedes langsamen Weitergehens, so wie wir uns in langen Spaziergängen am Strand bewegen. Dann spüren wir, dass Fülle nichts mit Menge, mit Quantität zu tun hat, sondern auch eine Einstellung des Geistes darstellt. Wir freuen uns an dem einen Stein, gerade dieser Muschel - nicht an der Anhäufung und Aufhäufung von Bergen von Muscheln. Fülle kann dann im Einen, dem gerade Vorhandenen sich zeigen. Ein Stück Brot kann auf einer Wanderung ein reicht gedeckter Tisch sein, während andere an einer vollen Tafel sitzen und unzufrieden sind, weil ihnen vielleicht gerade eine der Zutaten fehlt und sie das Gefühl haben, benachteiligt zu sein. Die Geschwister dieser Art Fülle sind Dankbarkeit, Freude und Geniessen dessen, was gerade ist.

Gemessen an einem Oratorium etwa sind es wenig Klänge, die sich in meinen Konzerten darbieten. Das Vermögen, sich berühren lassen zu können, hat mit der Menge der Töne nichts zu tun. Wenn nur ein Klang meine Hörer zu berühren vermag, bin ich als Musiker zufrieden und wir wären für einen Moment, eben für diesen Moment, in Resonanz, im Einklang miteinander und in Kommunion mit dem ganz Anderen. Mit meiner Musik schaffe ich mir selbst immer wieder einen grossen Raum der Freude - vielleicht auch, weil sie so anders ist als mein sonstiges Lebenstempo. Ich liebe Geschwindigkeit, Wechsel und Dynamik, bin ungeduldig, oft rastlos. Mit dieser Musik lebe ich eine andere Seite meiner Existenz und gebe ihr Raum. Das tut mir gut. Aus der Verbindung dieser meiner beiden Seiten schöpfe ich Kraft und komme in ein inneres Gleichgewicht, das ich im Alltag so sehr brauche.

Gehen Sie zusammen mit mir auf eine Entdeckungsreise. Wir können die Obertöne mit den noch eingefalteten Blütenblättern einer Knospe vergleichen. Ziel unseres Singens ist, die verborgene Vielfalt mit den Ohren zu erahnen, mit der Stimme zu erwecken und die Blume schließlich in ihrer ganzen Schönheit gemeinsam klanglich zu entfalten. Wie schon erwähnt: eine klingende Jakobsleiter, auf der wir allmählich von der Erde zum Himmel, vom Materiellen ins Geistige aufsteigen und beide Ebenen in uns miteinander verbinden.

Beim Obertonsingen stellen wir unser Hören auf eine sehr feine Wahrnehmungsebene ein. Durch bestimmte Filtertechniken lernen wir, Obertöne aus unserer Stimme herauszukristallisieren, neue Klangräume zu entdecken und die Körperlichkeit unserer Stimme zu erfahren. Wir machen die faszinierende Entdeckung, dass Klang selbst eine vertikale Dimension in sich trägt und dies in unserer eigenen Stimme ausgedrückt werden kann. Wir erleben den Klangunterschied von Luft- und Körperschall und üben durch gezielte Vokalarbeit, unseren Stimmsitz zu verbessern. So kommen wir in Kontakt mit einem universalen Mantra, welches alle Klangfarben unseres Planeten bestimmt. Machen wir uns hörend und singend vertraut mit der Welt der Obertöne, dann entdecken wir Klänge von ungeahnter Schönheit und Klarheit, auch in unserer eigenen Stimme. So können wir die Transparenz unserer körperlichen Grenzen erfahren, uns der heilsamen Energie der Obertöne öffnen und uns selbst als Schwingung erleben. Im gemeinsamen Tönen erleben wir schließlich die verbindende und lichtvolle Kraft dieser Klänge, die uns behutsam in eine pulsierende Stille führen können.